Bei der Beschreibung der Warmumform-verfahren konzentrieren wir uns hier auf das Warmschmieden im Gesenk inklusive von Vorformoperationen wie Biegen, Stauchen, aber auch Strang- und Fließpressen.
Verwandte Verfahren:
Als Warmumformung werden alle Umformoperationen bezeichnet, die oberhalb der Rekristallisationstemperatur eines Metalls stattfinden. Zur Abgrenzung gegen die Kaltumformung wird dabei die sogenannte homologe Temperatur TH verwendet:
TH = 0,6 x TS (TS: Schmelztemperatur des Materials – alle Angaben in K)
Ist die Prozesstemperatur oberhalb TH, ist der Prozess der Warmumformung zuzuordnen. Dabei ist es nicht zwangsläufig notwendig, den Werkstoff zu erwärmen. In niedrigschmelzenden Metallen (z. B. Blei) läuft die Rekristallisation bereits bei Raumtemperatur ab.
Der ausschlaggebende Effekt, der dem Warmumformverfahren ihre Bedeutung verleiht, ist die starke Reduzierung der Materialfestigkeit (Fließspannung) bei hohen Temperaturen oberhalb TH. Das umzuformende Bauteil wird quasi in eine „teigige“ Konsistenz versetzt.
Verantwortlich dafür ist die Rekristallisation – die Neubildung des kristallinen Metallgefüges. Durch Abbau der im Metall vorhandenen Verfestigung (Versetzungsdichten), die Mobilisierung der Versetzungen (thermische Aktivierung) und durch während und nach dem Umformschritt ablaufende Erholungs- und Rekristallisationsprozesse ist es möglich, sehr hohe Umformgrade aufzubringen. Warmumformung kommt daher überall dort zum Einsatz, wo komplexe Geometrien umformtechnisch hergestellt werden sollen. Darüber hinaus ermöglicht sie die Verarbeitung schwer umformbarer Werkstoffe, welche im kalten Zustand nur sehr beschränkt oder erst gar nicht umformbar sind. Durch die Festigkeitsabnahme unter Warmumformbedingungen kann der Kraft- und Arbeitsbedarf der Prozesse gegenüber einer Kaltumformung stark gesenkt werden.
Nicht zuletzt ist die Rekristallisation dafür verantwortlich, dass durch den kompletten Neubildungsprozess des Gefüges (auch mehrmalig möglich) sich ein relativ feinkörniges Umformgefüge einstellt. Dieses weist eine optimale Kombination zwischen Festigkeit und Zähigkeit auf. Dieser Umstand qualifiziert die Warmumformung als eine der wichtigsten Fertigungsverfahren für die Herstellung hochbeanspruchter Sicherheitsbauteile.
Bei der Beschreibung der Warmumform-verfahren konzentrieren wir uns hier auf das Warmschmieden im Gesenk inklusive von Vorformoperationen wie Biegen, Stauchen, aber auch Strang- und Fließpressen.
Verwandte Verfahren:
Warmschmiedeteile können in Schmiedeteile mit und ohne Grat eingeteilt werden.
Für die Herstellung komplexer Geometrien mit lokal stark unterschiedlichen Querschnitten und Nebenformelementen wird aus technologischer Sicht ein Grat benötigt. Die sogenannten Gratbahnen wirken wie eine Bremse auf den Werkstofffluss und behindern das Überschussmaterial stark beim Fließen. Dadurch wird ein hoher Innendruck im Gesenk aufgebaut, welcher das verbleibende Material in die Gesenkkavitäten zwingt.
Gratlos hergestellte Schmiedeteile beschränken sich typischerweise auf rotationssymmetrische Bauteile oder Bauteile mit zyklischer Symmetrie.
Gesenkschmiedeteile sind in der Regel mehrstufig hergestellte Produkte. Als Ausgangsmaterial wird gewalztes Halbzeug (Rund- oder Vierkantabschnitte) verwendet. In seltenen Fällen kann direkt stranggegossenes Material oder profiliertes Halbzeug eingesetzt werden.
Vorformoperationen werden eingesetzt, um den Gratanteil (der nicht zur Wertschöpfung beiträgt, sich aber in den Materialkosten niederschlägt) möglichst gering zu halten. In diesem Zusammenhang spricht man vom Materialnutzungsgrad. Dieser berechnet sich:
Der Materialnutzungsgrad beträgt je nach Komplexität und Teilefamilie zwischen 60 und 85% (Ausnahmen möglich). Es ist dabei zu beachten, dass ein stabiler Abgratprozess einen Mindestgratanteil in der Schnittebene benötigt. Ist der Schnittanteil zu gering, verschmiert das Material und führt zu Ausschuss oder Nacharbeit.
Warmgeschmiedete Produkte benötigen in der Regel weitere Bearbeitungsschritte bis hin zur einbaufertigen Komponente. Fallweise sind das unterschiedliche Wärmebehandlungsverfahren oder Oberflächenbehandlungen. In jedem Falle muss aber eine spanende Bearbeitung durchgeführt werden.
Diese ist zum einen nötig, da beim Warmschmieden technologisch bedingt mit sogenannten Schmiedezugaben gearbeitet werden muss (Aushebeschrägen, Verrundungen scharfer Kanten). Andererseits sind durch die hohen Verarbeitungstemperaturen die Oberflächen abgekühlter Schmiedeteile meist verzundert bzw. oxidiert. Bedingt durch die lokal teilweise unterschiedliche thermische Schrumpfung beim Abkühlen der geschmiedeten Teile auf Raumtemperatur lassen sich hochgenaue Fertigungstoleranzen nicht realisieren. Typische Schmiedetoleranzen können je nach Bauteilgröße zwischen wenigen Zehntelmillimetern bis zu mehreren Millimetern betragen.
Zur Verringerung der Bearbeitungszugaben können sogenannte „Near-Net-Shape”-Teile durch Halbwarmschmieden erzeugt werden. Einbaufertige Konturen lassen sich in der Regel nur durch eine Kaltumformung herstellen. Wegen der teilweise hohen Anforderungen an Schmiedeteile können Kunden-Freigabeprozesse für Schmiedeteile mehrere Monate dauern.
Die mit hohen Temperaturen und Umformgraden einhergehende Rekristallisation ermöglichst die Einstellung eines sehr feinkörnigen Gefüges. Wie durch kein anders Umformverfahren lassen sich dabei Festigkeits-Zähigkeitskombinationen einstellen, die das Warmgesenkschmieden überall dort als Herstellverfahren qualifizieren, wo hohe Betriebslasten (statisch und dynamisch) besondere Anforderungen an das Bauteil stellen. Im Allgemeinen werden solche Bauteile und Komponenten als „Sicherheitsbauteile“ bezeichnet. Aus diesem Grunde sind die Automobilindustrie und die Luft- und Raumfahrt die wichtigsten Abnehmermärkte für Warmgesenkschmiedeteile.
Überwiegend werden für automobile Anwendungen Stähle verschmiedet. Mehr und mehr kommen aber wegen der zunehmenden Leichtbauanforderungen auch Aluminiumknetlegierungen, seltener Magnesium, zum Einsatz.
Im Volumensegment werden die Teile meist in mittleren bis Großserien (Hunderttausend – 2 Millionen) abgeschmiedet. Dies ermöglicht den Einsatz hochautomatisierter Schmiedelinien mit hohen Ausstoßraten. Im Premiumsektor und Nutzfahrzeugbau sind eher kleinere bis mittlere Serien üblich.
Nachfolgend werden einige typische Produktfamilien aufgelistet. Die in der Aufzählung beispielhaft genannten Vertreter sind sowohl für PKW als auch Nutzfahrzeuge zutreffend:
Einsatzgebiete für Schmiedeteile:
In der Luft- und Raumfahrt kommen hochfeste und temperaturbeständige Sonderwerkstoffe wie Nickelbasis- und Titanlegierungen sowie Leichtbaumaterialien wie Aluminiumknetlegierungen und Magnesium zur Anwendung.
Darüber hinaus gibt es weitere wichtige Branchen und Anwendungsfelder, in denen Schmiedeteile ihre Stärken ausspielen können:
Um dem nach wie vor ungebrochenem Trend hin zum Leichtbau folgen zu können, müssen zunehmend neben Aussagen zur Machbarkeit eines Prozesses bzw. der Herstellbarkeit eines Produktes die lokalen Produkteigenschaften in die virtuelle Vorentwicklung mittels FEM-Simulation einbezogen werden. Die Palette der möglichen Anwendungen reicht dabei von der Umformung von Mikrokomponenten aus Titan mit Toleranzanforderungen im Mikrometerbereich bis hin zu einigen hundert Kilogramm schweren Schmiedeprodukten. Die zunehmende Modelltiefe (vertikale Skalierung von Prozess-Simulationen) stellt dabei neue Anforderungen an die Genauigkeit der Berechnung klassischer Feldgrößen. Um entsprechend genaue Ergebnisse z. B. aus Modellen für die Evolution von Mikrostrukturen (Gefüge) erhalten zu können, müssen im Sinne einer „closed-loop“-Rückkopplung thermo-physikalische Rand- und Anfangsbedingungen dynamisch an die Gefügeentwicklung angepasst werden. Die für die Berechnung von Mikrostrukturmodellen benötigte hohe Qualität und Auflösung von skalaren Feldgrößen wiederum zwingt den Anwender zunehmend, voll gekoppelte Modelle unter Berücksichtigung der Historie des Herstellprozesses zu verwenden. Daneben ist für die Abbildung des realen Prozessverhaltens die stochastische Verteilung von Eingangsgrößen zu berücksichtigen. Der Trend geht hier hin zur virtuellen Beschreibung von Prozessstreuungen und zur robusten Auslegung von Fertigungsprozessen bei gleichzeitig steigenden Ansprüchen an die Maßhaltigkeit und Gebrauchseigenschaften der Schmiedeteile.
Auch hier gilt, dass komplexe Modelle möglichst einfach und komfortabel zu modellieren sein müssen, und sich der Berechnungsaufwand in einem ökonomisch sinnvollen Verhältnis zum Informationsgehalt gestaltet.
Simufact engagiert sich in zahlreichen Projekten und Arbeitskreisen von Verbänden und Fachgremien, um gemeinsam mit Spezialisten aus der Industrie und akademischen Partnern Lösungen für diese Fragestellungen zu finden. Nähere Informationen dazu finden Sie unter der Rubrik Forschung und Innovation.
Das Einsatzgewicht bestimmt bei Schmiedeteilen mit Grat bis zu 60% der Herstellkosten. Aus diesem Grunde zählt die Optimierung des Materialnutzungsgrades zu den größten Kosteneinsparpotenzialen und damit Ansätzen für eine simulationsgestützte Prozessanalyse und -verbesserung.
Folgendes Beispiel eines Messing-Fittings soll dies belegen:
Neben einer Gratreduzierung von nahezu 20% konnte durch den Wechsel vom Doppelstück auf ein Vierfachstück die Ausbringung um 100% gesteigert werden. Als positiver Nebeneffekt wurden ebenso Temperatur-Hotspots eliminiert, die mit der herkömmlichen Prozessfolge zu erhöhten Ausschuss- und Nacharbeitsraten geführt hatten.
Das Beispiel zeigt eindrucksvoll, das über den Kostenhebel Material und Ausbringung sich die Einführung der Simulationsprodukte von Simufact bereits in einem Projekt amortisieren können.
Ein weiterer wichtiger Kostentreiber sind die Werkzeugkosten. Je nach Komplexität und Anzahl der Stadienfolgen können diese anteilig bis zu 20% der Herstellkosten ausmachen. Die frühe Kenntnis von Verschleiß und Gesenkbelastung hilft dem Simulationsanwender Rückschlüsse auf die Eignung der Prozessfolge zu ziehen. Oftmals lassen sich auch hier durch gezielte Änderungen des Prozess- und Werkzeugdesigns sehr schnell merkliche Einspareffekte realisieren.
Nachfolgendes Beispiel zeigt, wie ein nicht optimal ausgelegter Materialfluss und eine zu frühe Gesenkfüllung zum vorzeitigen Gesenkausfall (Gewaltbruch) durch hohe Spannungen im Gesenkgrund geführt haben.
Der Effekt konnte in der Simulation nachgewiesen werden. Nach Einführung der Abstellmaßnahmen wurde die kalkulierte Gesenkstandzeit sicher und stabil erreicht. Gleichzeitig konnte das Einsatzgewicht und damit der Gratanteil merklich reduiziert werden.
Unsere Kunden setzen Simufact-Simulationslösungen sehr erfolgreich zur Analyse möglicher Schmiedefehler ein. Wie kein anderes Werkzeug ist die numerische Simulation dazu geeignet, erste Prozessauslegungen zu überprüfen, mögliche Fehlerquellen zu identifizieren und vor der ersten Musterschmiedung bereits Optimierungsschleifen zu durchlaufen.
Die Vorhersage typischer Schmiedefehler wie Unterfüllungen, Schmiedefalten oder Saugstellen, aber auch Berechnungen zum Kraft- und Arbeitsbedarf (Dimensionierung des Schmiedeaggregates) sind weitere typische Beispiele für den Einsatz von Simulationssoftware.
Bei der Erstauslegung des Stadienganges für einen Gabelkopf konnte der Kunde eine starke Faltenbildung im Übergang vom Gabelhals zum Gabelkopf sowie Unterfüllung im Gabelbereich feststellen. Ursache war eine nicht optimale Auslegung der Rollform. Aus den Simulationsergebnissen konnte unmittelbar eine Änderung des Vorproduktes (Rollform) sowie Modifikation der Schlagfolge im Hammer abgeleitet werden.
Beispielhaft zeigen wir hier die Optimierung des Werkstoffflusses beim Schmieden eines Gabelkopfes auf:
Werkstofffluss beim Schmieden eines Gabelkopfes fehlerhaft
Mit der ursprünglichen Prozessauslegung zeigt die Simulation eine ausgeprägte Neigung zur Faltenbildung im Übergang zum Flanschbereich.
Werkstofffluss beim Schmieden eines Gabelkopfes optimiert
Die mittels Simulation entwickelte optimierte Stadienfolge ist nicht nur fehlerfrei – es konnte zusätzlich auch noch Einsatzgewicht eingespart werden.
(Quelle: Trinity India Ltd.)
Nutzen Sie die Vorteile von Simufact Forming für Ihre Warmumformprozesse.
Simufact Forming vereint eine leichte und intuitive Bedienbarkeit mit der verlässlichen Vorhersage von Schmiedeprozessen. Die Ergebnisse der Simulation finden dabei nicht nur im Produkt- und Prozessentwicklungsprozess Anwendung sondern ebenso bei kontinuierlichen Verbesserungsprozessen. Nicht zuletzt unterstützt die Simulation unsere Kunden bereits in der Angebotsphase mit schnell verfügbaren Machbarkeitsstudien. Simufact-Anwender erzielen dadurch nachhaltige Einsparungen und Wettbewerbsvorteile wie z. B.:
Das Anwendungsmodul Simufact Forming Warumumformung dient vornehmlich der Simulation von Massivumformprozessen mit Starttemperaturen oberhalb der Rekristallisationstemperatur.
Neben dem Warm-Gesenkschmieden bildet das Modul auch alle erforderlichen und wichtigen Nebenprozesse wie Erwärmung und Abkühlung, Trennprozesse und Vorformoperationen (Stauchen, Biegen) ab. Ergänzend können Sie auch andere Verfahren der Warmmassivumformung, wie zum Beispiel Extrusionsprozesse (Strangpressen) mit diesem Modul modellieren. In Verbindung mit dem Anwendungsmodul Rolling lassen sich auch Reck- und Querwalzoperationen berechnen.
Für eine funktionale Betrachtung von Simufact Forming Warmumformung, lesen Sie hierzu unsere Produktbeschreibung:
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